Schön im Leben, schön im Tod

Liebe Leute,
es ist nicht einfach, den Tod einer Freundin zu verarbeiten, gleichzeitig zwei quirlige Enkelkinder zu betreuen und mit ihnen am Bahnhof auch noch den Besuch aus Übersee in Empfang zu nehmen – Aussicht auf ein turbulentes Wochenende…

Das Kinderwochenende war geplant, Tochter mit Ehemann haben ihr Wellness Weekend schon lange gebucht. Der Besuch ist auch willkommen, eventuell sogar hilfreich. Der Tod allerdings kommt ungeplant, möchte aber nichts desto
beachtet werden. So lasse ich den Besuch auch mal mit den Mädchen alleine spielen und ziehe mich zurück, um die letzten Momente mit meiner Freundin gedanklich in Ruhe passieren zu lassen. Ich bin froh, dass ich sie noch ein letztes Mal zusammen mit ihrer Familie sehen durfte. Sie lag vollkommen friedlich da, fast lächelnd, in ein weisses Hemd gekleidet, zugedeckt mit einer weissen Decke und die langen, schwarzen Haare frisch gewaschen zu ihren Schultern liegend. Die zierlichen Hände berührten einander über der Brust. Die Brüder haben zur Erinnerung ein Foto gemacht und mir das Bild zugeschickt.  So kann ich sie nochmals in Ruhe betrachten. Wie schön man sie hergerichtet hat! Ihr Anblick im Tod ist angesichts des Leidens, welches sie ertragen musste, ein kleiner Trost.

Da kommt gerade eine Whatsapp Nachricht auf dem Familienchat – ein Bild von meiner Tochter, wie sie well behandelt in kuscheligen, weissen Tüchern warm eingepackt auf einem Schragen liegt. (Anmerkung: altes mittelhochdeutsches Wort, bedeutet gemäß Duden z. B. Bett, [Toten]bahre, Sägebock, (auf kreuzweise verschränkten [hölzernen] Füßen ruhendes Gestell) Ihr langes Haar zu ihren Schultern liegend. Sie sieht nach der Gesichtsbehandlung entspannt aus und lächelt. Ich betrachte das Bild schmunzelnd. Es wurde aus derselben Perspektive aufgenommen, wie jenes der Freundin. Schön sieht sie aus!

Die einen richtet man her für ein schöneres Leben und die anderen für einen schöneren Tod.

Allerdings sollte man der Tochter, die freudig ihr Wellness Erfolgserlebnis teilt, den Vergleich mit einer schön hergerichteten Leiche nicht unter die Nase reiben. Das kommt ganz blöd raus.
Ja, es ist jetzt blöd rausgekommen.

Ditaaa!“

Das bin ich, entschuldigt mich bitte – die Mädchen rufen nach mir, ich muss gehen! Zurück ins turbulente Leben. Eigentlich würde ich jetzt auch lieber auf einem Schragen liegen und schön gemacht werden. In welche Richtung wär mir im Moment völlig egal.

Braunbär beim Brunnen

eine Gutenachtgeschichte für meinen Enkel Benia. Ihm zu Ehren fangen alle Worte mit „B“ an.

Brauner Bär brummt beim Brunnen.
Bello bellt.
Bär bedrängt Bello, beisst bereits bedrohlich.
Benia beschliesst: „Bretter befestigen!
Badehaus barrikadieren!
Besser Bombe bereiten, Bär bombardieren!
Bär beabsichtigt Beute!
Bald Besuch! Boni und Bruder!
Bisschen beschissen – Braunbär beim Brunnen!

Besuch betritt Bauernhof
Bingo!
Bruder beschiesst Bär, bzw. Bello!
Bello bewegungslos.
Blöööd!
Bär bleibt beweglich, brummt belämmert,
bummelt breitbeinig bis Bärenhöhle.
Bald beruhigt. Bedrohung beendet.
Bravo!
Bello beim Blumenbeet bestattet.
Bedauerlich.
Bruder betreten.
Benia bittet Besuch: „Bleibt! Bald baden beim Brunnen.
Brauchen beide Badetuch? Bambeln bereits beim Baum! Bitte bedienen.“
Benia bittet besonders:
„Beim Baden beachten!
Bär biss beinahe Bello. Bär braucht Beute.
Brummt Bär – besser Beine beschleunigen.
Bombe bereit beim Badehäuschen.
Bär bewerfen.“
Bumm!

Juniverse – von der Quelle bis zum Nilpferd

Ich habs mit den Versen diesmal nicht geschafft, aber ich widme folgende Geschichte der grossartigen Idee von David Silbenton und hoffe, 
dass ich das nächste Mal wieder voll im Fluss bin mit Verse schreiben und nicht blockiert auf einer öden Insel sitze...

Hier sitze ich also auf einer Insel im Rhein zwischen Schweiz und Liechtenstein.
Am besten kommt man mit einem Ruderboot hin (Anker nicht vergessen) oder – wenn die Insel nahe am Ufer und der Rhein dazwischen nur ein Rinnsal ist, kann man auch mit den Gummistiefeln durchs Wasser waten. Aber der Fluss ist nichts für Nichtschwimmer. Er ist an dieser Stelle längst kein Gebirgsbach mehr und nebst starken Wellen gibt es auch hie und da gefährliche Strudel.

Am Besten haben es natürlich die Enten, die können auf die Insel schwimmen oder fliegen. Auf einigen Inseln sind durch die Jahre richtige Feuchtgebiete entstanden. Eisvögel soll es hier auch geben, aber ich habe noch keine gesehen. Dafür habe ich heute einem Fischer zugeschaut, wie er seine Angel auswirft.

Als Quelle des Rhein gilt der Tomasee in der Schweiz. Die berühmteste Stelle des Rheins ist wohl der Rheinfall bei Schaffhausen, wo der Rhein in einem grossen Wasserfall ins Becken hinunterstürzt. Man kann vom Ufer ganz nah herangehen. Dabei bekommt man allerdings so einige Tropfen und Spritzer mit ab. Ein Regenmantel für den Besuch wäre also keine schlechte Idee.
Man kann auch mit dem Schiff – leider ist es keine Dampfschifffahrt – näher an den Rheinfall ran. Da wird’s dann recht wild, das Wasser schäumt wie in einem Schaumbad, der Lärm ist ohrenbetäubend – man hat das Gefühl in einer grossen Waschküche gewaschen zu werden. Aber keine Sorge – für den Notfall hat es Rettungsringe am Schiff.

Fährt man mit dem Schiff weiter den Rhein runter, landet man in der Nordsee. Die Nordsee ist ein riesiges Aquarium. Darin findet man abgesehen von allerlei Getier Korallenriffe, Meerjungfrauen und die versunkene Stadt Atlantis. Du kannst ja mal mit einer Taucherglocke abtauchen und die Unterwasserwelt betrachten. Sag mir, ob du auch Nilpferde siehst.
Ich geniesse derweil die Meeresbrise am Strand und lass ein paar Seifenblasen steigen.
😀😀😀
Hab ich was vergessen?
Ach ja – habt ihr gewusst dass es einen Brunnen gibt, der dem Flussgott Rhein gewidmet ist? Allerdings steht er weitab vom Rhein in München auf der Museumsinsel neben der Ludwigsbrücke.

Soviel zu den Juniversen
Liebe Grüsse Brig

Limerick/conspiracy theory

There is a nice guy in Wetherby 
who is very much into conspiracy 
but from the many 
he can't tell you any 
which are not simply a theory 

Wer Lust hat, kann es hier noch ausführlicher auf Deutsch lesen:

The nice guy from Wetherby war derjenige, der mir für die Zeit der 10-tägigen Quarantäne bei die Einreise nach England Unterschlupf gewährte. Wahrscheinlich dachte er: „Gut, kommt die zu mir, da ist sie wenigstens nicht so eingesperrt.“ Nebst der Tatsache, dass sich die Behörde überhaupt nicht dafür interessierte, wo ich meine Quarantäne verbringe, landete ich also ausgerechnet bei einem Coronaleugner, der mich entsetzt anguckte, als ich brav mit Maske vor seiner Haustüre stand. Er glaube nicht an die Wirkung von Masken und vor allem die blauen seien sehr problematisch, meinte er. Ich solle lieber keine tragen.
Mir war das mehr als recht und bald erfuhr ich auch den Grund für seine Sorge. Er erklärte mir, die blauen Masken wären mit Trockenwürmern getränkt (trocken oder getränkt jetzt?), die durch die feuchte Atemluft zum Leben erweckt, und den Weg in die Lunge fänden um dort ihr Werk der Zerstörung zu vollbringen.
Dasselbe passiere übrigens auch mit den Wattestäbchen, die man den Menschen mit Gewalt bis zum Hirn hinaufschiebe. Die Würmer würden dort freigesetzt und in das Hirn eindringen.
Ich konnte das alles nicht glauben, und zudem hatte ich meinen Kopf voll mit anderen Dingen. Ich wollte möglichst friedlich und schnell diese Tage hinter mich bringen. Nun war der junge Mann durchaus nicht alleine mit seiner Meinung. In seinem Hause trafen sich während meines Aufenthaltes Coronaleugner und Aktivisten, die es mit der verschwörten Regierung aufnehmen wollten. Von Quarantäne machen war also keine Spur, es waren täglich Leute auf Besuch. Einmal kam eine junge Schottin, welche behauptete, Zugang zu einem Labor zu haben, wo sie eben die blauen Masken und Wattestäbchen testen würden. Ich sagte, dass die Schweizer Stäbchen sicher „clean“ seien, worauf sie promt ein Testset von mir haben wollte. Ich habe ihr – schon alleine wegen ihres herrlichen schottischen Akzents – gerne eins geschenkt mit dem Vermerk, dass ich das Resultat des Labortests erfahren möchte. Ich habe nie wieder von ihr gehört.
Dafür hörte ich eines Nacht ein heftiges Rumpeln. Ich war sofort hellwach und wusste bereits, was passiert war, noch bevor ich die Tür von meinem Schlafzimmer öffnete. Seitdem ich auf einer Ferienfahrt einen Mitreisenden mitten in der Nacht blutüberströmt im Hotelkorridor vorgefunden habe, gehe ich jedem Rumpeln nach und siehe da – mein Gastgeber lag splitternackt und ausgestreckt am Fusse der steilen Treppe, die vom oberen Stock nach unten führte und von welcher er offenbar runtergefallen war.
Erst musste ich sichergehen, dass er noch lebte, denn er regte sich nicht mehr. Er musste mindestens bewusstlos sein. Immerhin war kein Blut zu sehen und als ich seinen Herzschlag prüfte, schien es ruhig zu schlagen. Ich beugte mich über sein Gesicht und da kam er auch schon wieder zu sich. Es mutete fast wie eine Neugeburt an, wie er da lag – der Kopf von der Hebammen Hand gehalten – und da gab er auch schon einen Laut von sich: „Lass mich alleine!“ Ich holte eine Wolldecke, deckte ihn zu und riet ihm, noch ein Weilchen liegen zu bleiben. Ach…ich hätte so gerne die ersten Gehversuche mit ihm gemacht. Der Morgen kam, und er war wieder völlig hergestellt. Wir haben nicht mehr darüber gesprochen.
Apropos Viren und Bakterien…so hübsch sein kleines Häuschen auch ausschaute, so dreckig war es. Und ich bin jetzt keine empfindliche Person, was Dreck anbelangt. Vor allem die Küche war grenzwertig. Ich empfand gar kein Bedürfnis von seinem Angebot, mich jederzeit zu bedienen, Gebrauch zu machen. Da war ich froh, um die täglich frischen Nahrungslieferungen seitens meines geschätzten Studenten. Trotzdem war die Küche bei meinem Weggang um einiges sauberer, als sie bei meinem Einzug war.

Zum Ende wurden der junge Mann und ich irgendwie doch noch Freunde. Ich war ihm endlos dankbar für die offene Unterkunft mit Garten (!) und für seine nette Gesellschaft. Was das ganze Theater mit Lockdowns, Tests und Quarantäne anbelangt – da waren wir uns einig – man hätte es den Menschen ersparen können.
Die Sache aber mit all den Verschwörungstheorien (die Wattestäbchen waren nur die Spitze des Eisbergs) – das beschäftigt mich bis heute, denn der junge Mann ist leider nur einer von vielen, die mit ihren extremen Ansichten in den letzten drei Jahren unzählige Menschen zusätzlich verunsichert haben und es immer noch tun.

gemütliches Quarantänehäuschen 🙂
fresh food daily!
romantischer Garten im Hinterhof
Zimmer mit Aussicht

Vergebung ist gut, Versöhnung ist besser

Ohne Vergebung kommen wir in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen nicht weit. Konflikte passieren und wollen gelöst werden. Wer nicht vergeben kann und die Schuld immer beim anderen sucht, belastet nicht nur den Nächsten, sondern vor allem sich selbst.
Allerdings kann auch ein bitterer Nachgeschmack zurückbleiben, wenn die andere Person nicht in den Vergebungsprozess mit hineingenommen werden kann und die Vergebung einseitig bleibt. Es fällt dann schwerer, einen Schlussstrich unter alles zu ziehen, selbst wenn man dem Gegenüber verziehen hat.

Ich kann es aus Erfahrung sagen, dass ein Konflikt erst dann vollständig aus der Welt geschafft ist, wenn sich beide Seiten aussprechen können und es zu einer Versöhnung kommt.  Es ist sogar möglich, dass er im Nachhinein als wertvoll für die Beziehung empfunden wird.

Ein solcher Ausgang eines Konflikts ist der Allerschönste. Aber auch dann, wenn die Beziehung nicht mehr fortgesetzt werden möchte, ist es befreiend, wenn beide Parteien sich aussprechen und versöhnen können.

Menschen, die einander vergeben haben und versöhnt sind, sprechen nicht mehr mit Bitterkeit über ihre Konflikte, sondern sie erzählen mit Freude über die Lösung, die sie dafür gefunden haben.

Ich möchte euch mit eben dieser Freude eine Geschichte erzählen:

Es waren zwei ganz unterschiedliche Welten, die damals aufeinanderprallten. Zwei Frauen, ich – eine junge, fröhliche, sprühend voller Lebensfreude und Nira, Israelin, etwas älter und bitter geworden, welche aus sicherer Distanz misstrauisch alles und jeden betrachtete.

Was uns beide Frauen zusammen brachte, war die hebräische Sprache. Ich war diejenige, welche die Sprache erlernen wollte.  Deshalb fragte ich Nira um privaten Sprachunterricht an und so geschah es, dass wir uns regelmässig trafen. Wir hatten beide Spass dabei – zu lehren und zu lernen, und mit der Zeit entstand sogar eine Art Freundschaft zwischen uns. Wir verbrachten allmählich mehr Zeit zusammen, unternahmen gemeinsame Wanderungen und unterhielten uns über dies und jenes. Der Höhepunkt unserer Freundschaft war eine gemeinsame Reise nach Israel.

Allerdings blieb immer ein Stück Mauer zwischen uns bestehen. Je mehr ich versuchte, diese abzubrechen, desto mehr bemühte sich Nira, sie aufrecht zu halten. Zwar konnten wir uns mittlerweile in Hebräisch unterhalten, aber wir verstanden uns trotzdem je länger je weniger. Die unterschiedlichen Lebensanschauungen wurden mehr und mehr zum Stolperstein. Mein Optimismus prallte immer öfters mit Nira’s negativem Denken zusammen. Kritik gabs hier, Kritik gabs dort. Eigentlich war nichts gut, ausser es war perfekt.
Ich war alles andere als perfekt und konnte es ihr nie recht machen. Langsam verlor ich meine Freude in ihrer Gegenwart. Es war mir, als würde meine gute Laune sie geradezu zum Jammern anstacheln. Immer öfters wurde ich zum Ziel verletzender Kritik

Der Tag kam, wo ich den Kontakt abbrach. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, denn ich wollte Nira wirklich eine Freundin sein. Aber ich wollte mich auch nicht mehr der ständigen Kritik aussetzen müssen.
Die Tatsache über die nicht gelungene Freundschaft beschäftigte mich lange Zeit und stimmte mich traurig

Seitdem begegnete ich Nira nur noch sporadisch im Dorf. Wir grüssten uns, fragten wie es geht. Aber mehr liess ich nicht mehr zu, wenngleich ich spürte, dass Nira mich jeweils freundlich anlächelte. Die Ablehnung, die ich in der Vergangenheit von ihr immer wieder erfuhr, war in mir gegenwärtig.

Ein paar Jahre später begegneten wir uns unerwartet wieder. Ich war auf dem Weg zum Seniorenheim, als ich Nira in sich zusammen gefallen in einem Rollstuhl sitzend vor dem Eingang erkannte.

Wir sahen uns an und in diesem Moment geschah etwas Wunderbares. Ich  – sichtlich erschrocken über die Situation, in welcher sich Nira befand –  spürte, wie sich etwas in meinem Herzen auftat. Da war plötzlich eine Welle von Liebe und Annahme in mir, ich spürte Hilflosigkeit und Demut zugleich. Es war mir, als würde der Raum um uns weit und darob kamen wir ins Gespräch.

In unserer gemeinsamen Sprache miteinander sprechend, war es, als würden wir einander plötzlich verstehen. Beide haben wir in den vergangenen Jahren Dinge erlebt, die uns reifer und weicher werden liessen.

Nun war es Nira, die eine Bitte an mich hatte: Besuche mich, rede in meiner Muttersprache mit mir. Das würde mir guttun. Und ich antwortete freudig: Ja, ich besuche dich.

Das war vor einem Jahr. In einer Woche reisen wir (Nira ist es immer noch ein wenig missmutig und eklig drauf😊) zusammen nach Israel. Keine von uns hätte gedacht, dass uns das nochmals passieren würde.

Versöhnung macht alles besser!

Drückt uns die Daumen für die nicht ganz einfache Reise und dass es für Nira, die eigentlich doch sehr mutig ist, ein unvergesslich schöner 70. Geburtstag im Kreise ihrer Familie wird und sie ihren hochbetagten Vater in ihrem Heimatdorf im Süden Israels nochmals in die Arme schliessen kann.

Ergänzung:
Im Frühjahr 2023 reisten Nira und ich ein zweites Mal nach Israel. Sie ist meine liebe Freundin geworden. Für die schöne Zeit, die wir versöhnt miteinander erleben durften, bin ich unendlich dankbar.
Nira ist am 21. Februar 2024 nach langer Krankheit und voller Gram über das Geschehen am 7. Oktober 2023 gestorben
Ihr Andenken ist ein Segen für mich.

Menage à Trois

«Wer von euch Beiden schläft heute Nacht bei mir?»
Etwas belustigt wirft sie die Frage in die Runde. Nie im Leben hätte sie gedacht, einmal in eine solche Situation zu geraten. Die beiden Männer allerdings auch nicht. Es ist das erste Mal, dass er bei ihnen zu Hause übernachten würde.
„Natürlich soll ER bei dir schlafen“. sagt ihr Mann. „Er ist nur für ein paar Tage da. Geniesse die Zeit mit ihm!“

Alles ist anders geworden seit jenem Abend im Wohnzimmer, als sie wieder einmal versuchte, ihren Mann ins Reich der Sinnlichkeit zu entführen. Für einmal entschied sie sich, ein hübsches Dessous anzuziehen, mit romantischen Spitzen, obwohl das überhaupt nicht ihr Stil war. Vielleicht hilft es ja, dachte sie bei sich selbst. 
Seit sie ein Paar sind, war es stets sie, welche die Initiative zum Liebesspiel ergriff und den führenden Part innehatte. Anfangs störte sie sich nicht daran. Es machte ihr sogar Spass, diese Rolle zu haben. Aber mit den Jahren wurde es offensichtlich, dass er nie von sich aus zu ihr kommen würde. Im Gegenteil, es schien ihm je länger je schwerer zu fallen, sich auf solche Momente einzulassen. 
Gespräche halfen nicht viel, beide fühlten sich danach jeweils extrem hilflos. Er konnte ihr nicht erklären, warum er keine Lust verspürte, und sie konnte es nicht verstehen. Wie ein dunkler Schatten legte sich das Thema auf ihre sonst so glückliche Ehe. 


Es war ein schöner Abend im Juli. Herrlich war die laue Luft nach der Hitze des TagesDie Türe zur Terrasse stand offen und ein leichter Wind bewegte die Vorhänge
In ihrer ungewöhnlichen Aufmachung hatte sie es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Sie verbrachte bereits einen netten Nachmittag und war dementsprechend guter Laune. Über ihr Vorhaben musste sie ein wenig schmunzeln…es war wirklich nicht so ihr Ding, aber sie freute sich dennoch und konnte es kaum erwarten, bis er nach Hause kommen würde. Immer wieder änderte sie ihre Sitzposition, versuchte sich in ihrem Dessous optimal in Szene zu setzen.
Und dann kam er. Wie jeden Abend rief er ihr bereits unter der Türe ein fröhliches „Hallo“, zu, welches sie ebenso fröhlich von ihrer Couch aus erwiderte. Die mitgebrachte Post in der Hand, stand er alsdann im Wohnzimmer, lächelte ihr verstohlen zu, legte die Zeitungen auf den Tisch und begab sich in die Küche, mit der Bemerkung:
 „Erst mal ein Bier!“
Hätte sie ihn nicht aufgehalten und mit einem Augenzwinkern eingeladen, sein Bier doch bei ihr auf der Couch zu trinken, wäre er damit schnurstracks auf der Terrasse verschwunden.
Nun aber schaute er sie verlegen an. Er verstand den Wink ja nur zu gut. Er überlegte kurz, stellte das Bier hin und verschwand in seinem Zimmer.
Was hatte er vor?
Als er zurückkam, war er nur noch mit einer altmodischen Badehose bekleidet, die er weit über dem Wohlstandsbäuchlein zugeschnürt hatte. Er stellte sich witzig vor sie hin und meinte: „Wenn du dich verkleidest, dann mache ich das doch auch!“
Verdattert und mit offenstehendem Mund starrte sie ihn an. Es verschlug ihr nicht nur die Sprache, sondern auch jegliche Hoffnung auf einen romantischen Abend.
«Nein, so funktioniert es nicht. Und nichts wird je funktionieren!»
Eigentlich wussten sie es schon lange, aber beide hatten sie Angst, es auszusprechen. Was würde passieren, wenn sie einander offen sagen würden, was sie dachten und fühlten?
Und dann schoss es einfach aus ihr heraus, als er sich, selber überrascht über die Wirkung seines Auftrittes, neben ihr auf die Couch setzte: „Wir würden besser als Bruder und Schwester zusammen leben, nicht wahr?“ Er nickte nur und starrte hilflos ins Leere.
 „Ja, warum machen wir es dann nicht?“
Er dreht seinen Kopf und schaut sie fast ungläubig an: „Ja, meinst du?“ 
„Ja, meine ich!“
Und dann geschah etwas Unerwartetes. Zwei Menschen blickten sich aufrichtig in die Augen. Der Raum wurde plötzlich weit, das Reden leicht, ja, fast beschwingt. Der Abend schien auf einmal doch noch vielversprechend zu werden.
Wie zwei Verschworene sassen sie auf der Couch und malten sich eine neue Zukunft aus. Heimlich und leise entliessen sie sich gegenseitig als Mann und Frau und sprachen einander die Freiheit zu, wieder „Single“ zu sein. Dass SIE nicht Single bleiben würde, lag auf der Hand, aber es berührte sie dennoch sehr, dass er von sich aus das Thema anschnitt und ihr wohlwollend eine Liebesbeziehung mit jemand anderem zugestand. Gleichzeitig versprachen sie sich, als beste Freunde immer füreinander und für die Familie da zu sein. 
Es kam ihnen vor wie ein Abenteuer, was sie da im Geheimen ausheckten.

Weder sie noch er wusste, ob es auch funktionieren würde. Doch für diesen Moment lagen sie überglücklich nebeneinander auf der Couch. Schon lange hatten sie sich nicht mehr so nahe und so verbunden gefühlt. Voller Hoffnung umarmten sie den Augenblick und – als würden sie ihre Entscheidung besiegeln wollen, küssten sie sich innig.
Die letzten Sonnenstrahlen drangen durch die leicht gekippten Jalousien und tauchten das Wohnzimmer in ein warmes, zauberhaftes Licht. Es war gerade, wie wenn der Himmel seinen Segen dazu geben wollte..

„Nein, ich schlafe in meinem Zimmer, es ist gar kein Problem. Ich bin schliesslich Gast bei euch!“  erwiderte der Besucher beschwichtigend.
Es war eine verrückte Situation.Wie gerne hätte sie beide Männer in die Arme genommen und sie fest an sich gedrückt. Aber sie tat es nicht, und schliesslich zog sie sich alleine in ihr Schlafzimmer zurück.

Es war noch früh, durchs offene Fenster drang die kühle Morgenluft. Sie drehte sich um und kuschelte sich nochmals in die Decke. Bald würde ihr Mann rüberkommen und ihr den Kaffee ans Bett bringen, wie er es immer tut. Zusammen würden sie den Tag beginnen, dies und jenes besprechen, bevor er zur Arbeit fuhr.

Später an diesem Morgen unter der Haustüre, winkte sie ihm nochmals zu und liess dann die Türe leise ins Schloss fallen. Die Hand noch auf der Türklinke, hielt sie kurz inne. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie war glücklich. 
Dann drehte sie sich um, ging zur Küche und setzte das Wasser auf. Er mag lieber Tee und gerne mit viel Milch. 
Gleich wird sie an die Türe des Gästezimmers klopfen, den Tee neben ihm auf den Nachttisch stellen und ihn sanft wecken. Der Tag wird nur ihnen gehören.

Der Junge aus China

Er war sozusagen mein erster „Sohn“. Viele würden noch folgen, aber das wusste ich damals noch nicht….

Y war sein Name. Seine Mutter war Ärztin. Er erzählte immer wieder von ihr und schwärmte von der chinesischen Medizin, welche ihresgleichen auf Erden sucht. Jedes Nahrungsmittel sei Medizin und damit kuriere und halte sich der Chinese ganz natürlich gesund. 
Der Junge war sichtlich stolz auf seine Mama. In seinem Gepäck waren dann auch etliche mütterliche Ratschläge in Form von diversen Superfoods mitgekommen, die er uns allerdings bei seinem Abschied allesamt hinterliess. Er selbst schätzte McDonalds, Kebab, Pizzen und anderen Junkfood, das fanden wir sehr schnell heraus, und vielleicht wurde er auch deshalb eines Tages krank. Jedenfalls erwachte ich in dieser Nacht, weil es im Zimmer nebenan ganz fürchterlich hustete. Weit weg von seiner Heimat und seiner Ärztemama fühlte ich mich für den jungen Mann verantwortlich, wenigstens, wenn es um seine Gesundheit ging. Ich wollte nachsehen, was mit ihm los war und klopfte an seine Zimmertür. Offenbar war er schon länger wach. Er sass etwas hilflos auf dem Bettrand und schaute mich mit grossen Augen an, als ich ihn nach seinem Befinden fragte.  Es hatte es ihn richtig erwischt. Neben dem Husten klagte er auch über starke Kopfschmerzen. Der Anblick mobilisierte meine mütterliche Fürsorge endgültig. Ich bot ihm an, Tee zu kochen, was er dankbar annahm, während er mich immer noch gross anguckte. Ich drehte mich um und ging in die Küche, setzte Wasser auf und suchte in meiner Apotheke nach Schmerztabletten. „Der Junge geht mir morgen nicht arbeiten“, dachte ich bei mir selber, nahm den Hustentee und den Honig aus dem Schrank und die grösste Tasse, die ich fand und schon bald duftete es würzig nach Kräutern. Ich fühlte mich extrem kompetent und zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Fast ergriff mich etwas von der Art einer strengen, aber wohlwollenden Krankenschwester. Mein Tee wird ihm gut tun. Ich brachte ihm die Tasse mit dem heissen Hustentee und ein Glas Wasser inklusive Kopfwehtablette ans Bett, bat ihn eindringlich, die Tablette zu nehmen und den Tee gemächlich zu schlürfen und fragte, ob er auch eine heisse Bettflasche möchte. Er schaute mich nur mit diesem sonderbaren Blick an. „Eh ….nein danke“,  stotterte er verlegen. Ob er denn sonst noch was bräuchte, fragte ich , aber er stammelte nur etwas von „Mama geschrieben“ und „Medikamente schicken“. „Ah…ok, dann versuche doch jetzt zu schlafen, und ich gehe auch wieder ins Bett. Morgen schauen wir dann weiter“. Grosse Augen und tschüss.
Naja, es gibt halt nichts Besseres als die Mama in einem solchen Moment.
Aber nun husch zurück ins Bett, noch schnell Pipi machen, Hosen rauf, Blick in den Spiegel….oh mein Gott! Wie sehe ich aus! Von wegen kompetente Krankenschwester! Ich hatte ja völlig vergessen, dass ich am Abend zuvor ein verdächtiges Kribbeln in den Lippen spürte und diese vorsichtshalber dick mit Zahnpasta bestrich, um einen evtl. Ausbruch von Fieberbläschen schon im Keime zu ersticken. So schlief ich dann ein, auf dem Bauch, mit offenem Mund, was dazu führte, dass der herausfliessende Speichel die Zahnpastaschicht auf den Lippen aufweichte und gleich in seinem Fluss die Backe hinunter mitnahm. Beim umdrehen auf die andere Seite habe ich das alles noch schön verteilt.
Deshalb also hat mich der Junge immer so angestarrt! Ach war das lustig! Ich lachte mich zu Bett und schlief fröhlich ein.
Das Beste war, der Ausbruch der Fieberbläschen hat nicht stattgefunden und unser Mitbewohner war am nächsten Tag wieder gesund 🙂

Mit der Wäsche ist das auch immer so eine Sache. Am liebsten würde ich das für meine  männlichen Mitbewohner erledigen. Ich mache es nämlich nicht ungern und dann habe ich  auch Ansprüche – dunkle und helle Wäsche bitte getrennt, die Weisse sowieso, und dann mit dem Bügeln…bitte Bügeleisen nicht über aufgeklebte Applikationen gleiten lassen. sie kleben nachher auf dem Eisen, und nicht mehr auf dem T-Shirt.

Ich biete also meinen Wäsche und Bügeldienst freiwillig an. Der Chinese war sich allerdings nicht schlüssig, ob er die Wäsche in die Obhut einer Frau, die nicht seine Mama war, geben sollte. Ich spürte, dass ihm das nahe ging, also liess ich ihn seine Wäsche selber machen und zeigte ihm auch den Wäscheständer im anderen Zimmer,  wo er die nassen Kleider aufhängen konnte.  Die Waschmaschine hatte er wohl benützt, aber Wäsche sah ich nirgends aufgehängt Nach zwei Tagen des Wunderns schaute ich in seinem Zimmer nach, ob ich dort nicht seine Wäsche fände. In der Tat…sie lag auf einem Haufen am Boden in der Ecke und feuchtete vor sich hin. Ich nahm sie mit und seitdem ist das Eis gebrochen, ich darf sie immer waschen, aufhängen und bügeln

Mein Mann ist allerdings nicht immer glücklich über den Umstand, dass ich allen Männern die Wäsche mache. Offenbar kann ich seine Socken nicht von den Socken der Gäste unterscheiden und so geschieht es manchmal dass ich seine  Socken den Mitbewohnern aufs Bett lege. Erstaunlich ist ja, dass diese oft auch nicht wissen, wie ihre Socken aussehen und am Schluss reisen sie samt den Socken meines Mannes ab.
Seitdem es nun einige Male so passiert ist, habe ich ein besonderes Auge auf die Socken und im Zweifelsfalle entscheide ich mich für meinen Mann….seine Sockenschublade ist im Moment gut gefüllt.

Wenn sich unser Chinese in Bewegung setzte, machte er das mit schnellen kleinen Schritten und dabei hoben sich seine Füsse nur leicht vom Boden ab. Er  schwebte fast über das Parkett. So schien es uns jeweils, wenn er um die Ecke ins Wohnzimmer getippelt kam. Allerdings lag dort ein kleiner Teppich. Es kam vor, dass der Teppich von den Füssen des Chinesen aufgegabelt wurde und sich um seine Beine herumschlang. Der Chinese schüttelte ihn im Weitertippeln dann jeweils elegant ab und liess ihn auf einem Haufen zurück. Der Vorgang war jedes Mal aufs neue spannend 🙂

Er war es auch, der ganz erstaunt war, dass es in der Schweiz Slums gibt. Das war, als wir an den Schrebergärten vorbei zum Bahnhof liefen. Und dann dachte er auch, dass alle Küchenabdeckungen aus Stein sind, wie bei ihm zuhause. Das hatte zur Folge, dass die Kunststoffabdeckung anfing, Blasen zu werfen, als er die heisse Kaffeekanne draufstellte. Wir mussten die ganze Platte ersetzen. Seither müssen unsere Mitbewohner eine Haftpflichtversicherung haben. Y war natürlich bei weitem nicht der einzige Chinese, der bei uns zu Gast war.

Unvergesslich bleiben die beiden Chinesinnen, welche sich per Couchsurfing für ein paar Tage bei uns angemeldet haben. Am Tag ihrer Ankunft wurde ich allerdings richtig krank.. Ich konnte ihnen natürlich nicht mehr absagen. Aber es war mir klar, dass ich nicht Gastgeberin sein konnte. Sie müssten einfach selber schauen. Mir war elend zumute.

Noch unter der Türe informierte ich sie über mein plötzliches Erkranken und bat sie, mein Unwohlsein zu entschuldigen, ich könne ihnen nicht einmal ein Abendessen kochen. Sie mögen doch einfach selber schauen.

Die Ältere der Beiden überblickte die Situation sofort und sagte, ich brauche mich um nichts zu kümmern, ordnete mir Bettruhe an und ging schnurstracks in die Küche, um mir eine Hühnersuppe zu kochen. Wie die Beiden sich so schnell zurecht fanden und woher sie die Zutaten für die Suppe nahmen, ist mir immer noch ein Rätsel. Ich habe auch völlig vergessen, sie auf die Abdeckung in der Küche aufmerksam zu machen und das diese schlecht heisse Pfannen vertrüge.  Die Sorge war umsonst. Bessere Hausfrauen hätte ich mir nicht wünschen können. Die beiden Frauen kümmerten sich rührend um mich und um alle, die noch in unserem Haus waren. Ihre Wanderpläne haben sie über den Haufen geworfen. Statt dessen blieben sie die drei Tage bei mir.

Es ist nicht verwunderlich, dass man unter solchen Umständen schnell wieder gesund wird. Bald fühlte ich mich besser und verbrachte mit den beiden Ladies eine wunderbare Zeit.
Eines der besten Couchsurfing Erlebnisse überhaupt.

Dank der Fürsorge meiner Gäste und der kräftigen Hühnersuppe ging es mir sofort wieder besser!

Träume, als wäre nichts unmöglich

Seit vielen Jahren träume ich davon, ein kleines Gasthaus zu haben. Jedoch  habe ich weder die Mittel dazu noch das Knowhow, um ein solches Projekt zu realisieren. Aber ich wäre ohne Zweifel die ideale Gastgeberin, die gute Fee im Hause, welche mit Freude dafür sorgen würde, dass sich alle Gäste wohlfühlen. Ich sage das auch nicht einfach so dahin. Ich lebe meinen Traum ja, wenn auch nur im kleinen Rahmen. Seit einigen Jahren biete ich bei mir zuhause Privatzimmer mit Frühstück an. Die Begegnungen mit Menschen aus der ganzen Welt bedeuten mir viel. Ich möchte nicht eine davon missen. Es ist einfach ganz unglaublich, welche aussergewöhnliche Menschen ich in den letzten Jahren bei mir beherbergen durfte.
Zum Beispiel war da kürzlich der Spanier, mit dem fremden Herzen in seiner Brust. Oder der junge Mann, der bei uns seine Pilgerreise nach Neuseeland gestartet hatte, der fröhliche Brasilianer, der mir nach einer gemeinsamen Wanderung die Füsse massierte, der alte , sehr schüchterne Chinese, der noch nie im Ausland war und ausgerechnet bei uns landete und nach vier Tagen glücklich von dannen zog, die alte Dame aus Amerika, die splitternackt in der Küche stand und entsetzt aufschrie, als ich rein kam, und dann der orthodoxe Israeli, der noch nie im Schnee spazierte, promt ausrutschte und dann nicht mehr gehen wollte, weil sein Allerwertester schmerzte. Oder das Liebespärchen, dass sich bei uns traf, damit der Anfahrtsweg für beide nicht so weit war 😉
Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Ich sage ja immer, ich mache jedes Jahr eine Weltreise  und kann dabei nachts in meinem Bett schlafen. Die Welt ist bei mir zuhause!

Nun ist es bald zwei Jahre her, dass in unserer Nachbarschaft die Bagger auffuhren und anfingen die Erde abzutragen. Neugierig fragte ich einen der Arbeiter, was hier denn gebaggert würde.

„Wir bauen ein Hotel.“

„Wow!  Wer baut hier denn ein Hotel gleich vor meiner Türe?“

Der Name der Firma war schnell gegoogelt und fast noch schneller sass ich darauf hin im Büro des Bauherrn. Er hörte meinem Reden (erster Abschnitt nochmals lesen) aufmerksam zu. „Ich würde gerne in ihrem Hotel mitarbeiten“, sagte ich zum Schluss.
Der Herr stand lächelnd auf, ging zum Schrank, nahm die Baupläne heraus und breitete sie vor mir auf dem Tisch aus. Ich durfte sie mir ansehen und er erzählte mir von seinem Projekt. 

Seit dieser ersten Begegnung ist natürlich viel geschehen. Das Hotel wuchs und nahm Gestalt an, das Konzept wurde wohl ein paar Mal geändert und die Pläne wieder angepasst, so wie es manchmal geschieht bei der Verwirklichung eines Projekts.

Aber das Angebot, im Hotel mitzuarbeiten blieb immer bestehen. Als man mich im September fragte, ob ich nun mit einsteigen möchte, sagte ich zu, obwohl sich auch bei mir einiges verändert hatte und ich nicht wusste, wie ich nun alles unter einen Hut bringen würde.
Aber die Dinge haben sich wunderbar gefügt. Nicht nur, dass ich die Arbeitszeit wählen durfte, es stellte sich heraus, dass ich auch fast alle im Team kannte.
Meine Vorgesetzte würde die Kollegin sein, mit welcher ich 11 Jahre das Sprachencafe Buchs geführt hatte! Das war eine grosse und schöne Überraschung! Wer hätte gedacht, dass  wir wiederum zusammen arbeiten würden! Da wusste ich, das kann nur gut kommen! 



Endspurt vor der Eröffnung

23 Studios und 3 Wohnungen mussten hergerichtet werden Wir Frauen haben uns mächtig ins Zeug gelegt, damit die ersten Gäste am 1. November einziehen konnten. Dabei lernten wir jede Ecke im Haus und jeden Griff unserer neuen Arbeit kennen. Das Hotel ist dadurch – das darf man schon sagen – ein bisschen Unseres geworden 🙂

Das BoHo im Herzen des Rheintals!


Mittlerweile ist das BoHo – so nennt sich das Wohnhotel – fast ausgebucht. 
Ich liebe meine Arbeit, ich liebe es, für unsere Gäste da zu sein.
Mein Traum ist in Erfüllung gegangen.

23 moderne und gemütliche Studios mit grossem Balkon
voll ausgestattete Küche
und geräumigem Bad
Herzlich wollkommen im BoHo!

im Massenlager

Jeder, der sich auf eine mehrtägige Bergtour begibt, ist sich der einfachen Übernachtungen in den Berghütten bewusst. Oft gibt es nur einen Raum mit Massenlager. Im Sommer sind die Schlafplätze meist allesamt ausgebucht. Ein Kopfkissen und eine Wolldecke schön ordentlich auf jeder Matratze hingelegt, lädt den müden Wanderer dennoch ein, sein Haupt niederzulegen und sich auszuruhen

Wie Sardinen liegt man nebeneinander, eingepackt im Schlafsack, Oropax in den Ohren und eine Taschenlampe daneben, falls die Blase mitten in der Nacht drückt…
Wer müde genug ist, schläft wie ein Säugling in den herrlichen Alpenmorgen hinein.
Andere drehen sich mehr wach als schlafend auf den dünnen Matratzen von einer Seite zur anderen und sind heilfroh, wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über die Bergspitzen schickt. Noch lange vor dem Frühstück sind sie draussen vor der Hütte, warten auf den Sonnenaufgang und lauschen der erwachenden Bergwelt. Ich gehöre auch zu dieser Gruppe. Der Sonnenaufgang gehört zu den unvergesslichen und schönsten Augenblicken einer Bergtour.

Neben mir schlief eine ältere Frau. Sie war gehörlos, wie auch die anderen von unserer Wandergruppe. Die Gehörlosen haben es ja gut. Das Schnarchen der schon selig Schlafenden lässt sie völlig kalt.

Plötzlich hörte ich im Halbschlaf ein Rufen: „Mama, Mama, ich habe Angst! Es ist so dunkel!“

Ich brauchte einen Moment, um festzustellen, woher das Rufen kam. Es war die Frau neben mir, die vor Angst zitterte und immer wieder nach ihrer Mutter rief.

Sanft berührte ich ihre Schulter und griff nach der Taschenlampe, um im Lichtkegel mit ihr reden zu können. 

Sie können ohne Licht nicht schlafen, erklärte sie mir, sie hätte Angst im Dunkeln. Ich platzierte die Taschenlampe so, dass ihre Umgebung etwas erleuchtet war ohne die Nachbarn zu stören und ermutigte sie, nun die Augen zu schliessen und versuchen zu schlafen. Selber legte ich mich so hin, dass ich ihr die Hand reichen konnte. Sie drückte sie ganz fest.
Während ich ihre Hand hielt, beruhigte sie sich zusehends und bald war sie eingeschlafen.

Ich lag noch ein ganzes Weilchen wach. Ihr Hilferuf hat mich eigenartig berührt. Niemand sonst hatte etwas mitbekommen, aber uns beide machte das Erlebnis für den Rest der Wanderwoche zu Verbündeten…

Dammahütte über dem Göscheneralpsee
Sonnenaufgang in den Bergen