Schön im Leben, schön im Tod

Liebe Leute,
es ist nicht einfach, den Tod einer Freundin zu verarbeiten, gleichzeitig zwei quirlige Enkelkinder zu betreuen und mit ihnen am Bahnhof auch noch den Besuch aus Übersee in Empfang zu nehmen – Aussicht auf ein turbulentes Wochenende…

Das Kinderwochenende war geplant, Tochter mit Ehemann haben ihr Wellness Weekend schon lange gebucht. Der Besuch ist auch willkommen, eventuell sogar hilfreich. Der Tod allerdings kommt ungeplant, möchte aber nichts desto
beachtet werden. So lasse ich den Besuch auch mal mit den Mädchen alleine spielen und ziehe mich zurück, um die letzten Momente mit meiner Freundin gedanklich in Ruhe passieren zu lassen. Ich bin froh, dass ich sie noch ein letztes Mal zusammen mit ihrer Familie sehen durfte. Sie lag vollkommen friedlich da, fast lächelnd, in ein weisses Hemd gekleidet, zugedeckt mit einer weissen Decke und die langen, schwarzen Haare frisch gewaschen zu ihren Schultern liegend. Die zierlichen Hände berührten einander über der Brust. Die Brüder haben zur Erinnerung ein Foto gemacht und mir das Bild zugeschickt.  So kann ich sie nochmals in Ruhe betrachten. Wie schön man sie hergerichtet hat! Ihr Anblick im Tod ist angesichts des Leidens, welches sie ertragen musste, ein kleiner Trost.

Da kommt gerade eine Whatsapp Nachricht auf dem Familienchat – ein Bild von meiner Tochter, wie sie well behandelt in kuscheligen, weissen Tüchern warm eingepackt auf einem Schragen liegt. (Anmerkung: altes mittelhochdeutsches Wort, bedeutet gemäß Duden z. B. Bett, [Toten]bahre, Sägebock, (auf kreuzweise verschränkten [hölzernen] Füßen ruhendes Gestell) Ihr langes Haar zu ihren Schultern liegend. Sie sieht nach der Gesichtsbehandlung entspannt aus und lächelt. Ich betrachte das Bild schmunzelnd. Es wurde aus derselben Perspektive aufgenommen, wie jenes der Freundin. Schön sieht sie aus!

Die einen richtet man her für ein schöneres Leben und die anderen für einen schöneren Tod.

Allerdings sollte man der Tochter, die freudig ihr Wellness Erfolgserlebnis teilt, den Vergleich mit einer schön hergerichteten Leiche nicht unter die Nase reiben. Das kommt ganz blöd raus.
Ja, es ist jetzt blöd rausgekommen.

Ditaaa!“

Das bin ich, entschuldigt mich bitte – die Mädchen rufen nach mir, ich muss gehen! Zurück ins turbulente Leben. Eigentlich würde ich jetzt auch lieber auf einem Schragen liegen und schön gemacht werden. In welche Richtung wär mir im Moment völlig egal.

sanft und leise

         
Ein Wunder war es, sanft und leise 
plötzlich stand ich mittendrin
ganz berührt von seiner Weise
schaut ich auf zum Himmel hin
fühlte, wie sich alles kläret
wie es war von Anbeginn
und wusste wieder, dass es währet
und ich darin geborgen bin

warum ich den Herbst liebe

Beitrag zum Fotoprojekt „Herbst 2022“ von Royush/ warum man den Herbrst liebt

Ich liebe den Herbst
als Jahreszeit
als Zeit meiner Geburt
und als Zeit in meinem Leben

Es ist die Zeit der Ernte
die uns so vieles schenkt

Es ist die Zeit 
wo sich das Schöne nochmals 
in einer unglaublichen Intensität präsentiert

Es ist die Zeit
des Geniessens und Feierns

Es ist aber auch die Zeit 
des Abschiednehmens
Zeit der Rückschau auf das Vergangene
und des Bewahrens aller schönen Erinnerungen

Es ist die Zeit
des Bewusstwerdens der irdischen Vergänglichkeit 
und des dankbaren Insichkehrens

Nicht zuletzt ist auch die Zeit
des Vertrauens  - ja, des Wissens
über den neuen Frühling, der kommen wird

Darauf freue ich mich schon jetzt

			

mein schönster Gewinn

Die Jahre ziehen wie Wasser im Fluss
und spülen so manches an Land
mal ists Geröll, mal ein freundlicher Gruss
des Lebens Spuren im Sand

Und manchmal glitzern die Sterne darin
und künden von Jubel und Glück
Mädchen, du warst mein schönster Gewinn
denk ich an dein Kommen zurück

Du brachtest mir Freude und Tränen zugleich
das Wasser stieg manchmal gar hoch
doch waren die Jahre wie nie zuvor reich
und reich sind sie immer noch

Oft halte ich inne – ich liebe es sehr
am Fluss Deines Lebens zu stehn
und wünsche, er bringt dir an Gutem noch mehr
mein Kind, deine Welt ist so schön

steinreich

Die meisten Menschen wissen gar nicht,
 wie schön die Welt ist
 und wieviel Pracht in den kleinen Dingen,
 in einer Blume, einem Stein, einer Baumrinde 
oder einem Birkenblatt sich offenbart.


Rainer Maria Rilke