Der Fleck muss weg!

Zumindest denken das unserer Gäste. Dabei hatte sich der Fleck mit den Jahren ganz gut in die Maserung des Tisches eingefügt. Etwas dunkler als der Tisch selber, aber immer noch holzfarben. Niemand weiss, wie er dorthin gekommen ist und mit der Zeit war es uns auch egal. Der Tisch ist seit 15 Jahren das zentrale Möbelstück in unserer Wohnung. Viele haben sich schon hinzu gesetzt und nicht wenige haben darauf ihre Spuren hinterlassen. Eindrücke von Fingernägeln, Gabeln, Löffeln und anderen Gegenständen, Wasserringe, Spuren vom Hämmern und Brotschneiden und sonstigen unüblichen Handlungen auf einem naturgeölten Holztisch – kurzum ein intensiv gebrauchter Tisch, der aber an Schönheit nichts eingebüsst hat.
Das mit dem Hämmern war ich. Es geschah am hell lichten Tag, als der Tisch geliefert wurde, genau gesagt war er noch keine Stunde im Wohnzimmer. Da habe ich ihn demonstrativ im Beisein meines Mannes als einen zu gebrauchenden Gegenstand eingeweiht, indem ich auf der Tischplatte die Aufhängevorrichtung an einem Bild mit zwei kleinen Nägeln anbringen wollte. Am Schluss hing das Bild nicht an der Wand, sonder war auf der Tischplatte festgenagelt. Und erst noch mit der Bildseite nach unten. Also überhaupt nicht schön.
Aber nun zurück zum Fleck. Viele Jahre später.
Als einer unserer Coucsurfer eine Pfanne vom Tisch nahm und mit Schrecken den Fleck darunter entdeckte, vergass er für einen Moment völlig, dass dieser vorher schon da war. Und er vergass auch, dass er die Pfanne kalt auf den Tisch stellte. Mit Hilfe eines Pfannenreinigers versuchte er den vermeintlichen Brandfleck weg zu rubbeln. Allerdings ohne viel Erfolg. Niedergeschlagen berichtete er mir von seinem Missgeschick. Ich habe natürlich sofort eins und eins zusammengezählt. Als ich ihm das Resultat mitteilte, war er schon erstaunt. Ich auch.
Zum Glück war ich zu der Zeit gerade intensiv am Lernen, die Dinge positiv zu betrachten. Ich fand‘s also spontan lustig und schliesslich mussten wir beide darüber lachen. So gut es ging, ölten wir die aufgerauhte Stelle ein und siehe da, es sah wieder ganz gut aus – der Fleck erstrahlte wieder in seinem alten Glanz.
Damit wäre nun die Geschichte am Ende, wenn nicht der nächste Gast gewesen wäre. Er wollte sich schon am ersten Tag fürunsere Gastfreundschaft erkenntlich zeigen. Womöglich dachte er, dass es mich besonders freuen würde, wenn er sich um Dinge kümmern würde, die ich bei aller Routine links liegen liess. Er sah den Fleck auf dem Tisch und entschied kurzerhand, dass dieser weg kann. Mit Hingabe und Geduld schrubbte er ihn weg. Ich war leider nicht zugegen und bekam nur noch das Endergebnis zu sehen. Perfekte Arbeit. Kein Fleck mehr. Dafür viel aufgerauhte rohe Holzfläche. Einem Tischler wären wahrscheinlich grad die Tränen gekommen. Aber ich bin mittlerweile schon sehr positiv vorausschauend!
„Macht nichts, den schleifen wir einfach ab“, sagte ich. Etwas verwundert war ich natürlich schon und im Stillen dachte ich….was kommt da wohl noch auf mich zu?
Als ich kurz darauf den Mixer sauber gewaschen und eigenartig zusammengesetzt auf der Küchenablage vorfand, entschloss ich mich, unserem Gast eine kleine Einführung in unseren Haushalt zu geben.
Mittlerweile hat er sich sehr gut eingelebt und der Tisch sieht nach dem Abschleifen wie neu aus. Ich find’s positiv.
Zufrieden am Tisch
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