Gedanken zum Ewigkeitssonntag/ Nachkommen

Beitrag zur Novemberaktion von Petra Schuseil vomTotenhemdblog

Heute ist Ewigkeitssonntag oder auch Totensonntag genannt, an welchem in den evangelischen Kirchen den Verstorbenen gedacht wird. Er ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr vor dem ersten Adventssonntag.
Wer mehr darüber lesen möchte, hier.

Der Ewigkeitssonntag schenkt uns Gelegenheit, gemeinsam mit anderen feierlich inne zu halten, um das Leben zu umarmen und denen zu gedenken, die uns vorausgegangen sind. Wir sind die Nachkommen. Wir sind die, die ihnen eines Tages nachkommen werden. Was danach kommt, ist ein heiliges Geheimnis 😌
Im Bewusstwerden unserer irdischen Vergänglichkeit, im Gedenken an unsere Lieben und dem, was sie in uns hinterlassen haben, dürfen wir neu getröstet der Aufforderung des Lebens nachkommen:

Lebe! Liebe! Glaube und hoffe!


Möge ihr Andenken allen Nachkommenden ein Segen sein







Hochzeitstag

Ich sitze im lauschigen Gartencafe des jüdischen Museums und warte auf meine Bestellung. Nach einer zweistündigen Fahrt mit dem Fahrrad brauche ich eine Pause,  bevor ich an der Führung im Museum teilnehme.

Die Fahrt war schön, dem Rhein entlang auf gut ausgebauten Fahrradwegen. Wunderbares Wetter. Nur meine Seele wollte das alles nicht sehen. Heute ist unser Hochzeitstag.
In meinen Gedanken zogen die Erinnerungen vorbei – wie die Landschaft am Rhein und der sanfte Fahrtwind versuchte ständig, meine Tränen zu trocknen. 
Ich sollte heute doch nicht alleine sein.

„Weisst du noch lieber Jürg, wie wir unseren ersten Hochzeitstag gefeiert haben? Frühmorgens noch in der Dämmerung sass ich im Brautkleid im Garten auf einer Couch, die Türe zum Schlafzimmer weit offen. Eine romantische Lichterkette, ich glaube, ich habe sogar Kaffee gekocht und aus den Lautsprechern ertönte das Liebeslied, welches wir beide so mochten
Ich habe einfach gewartet, bis du davon aufwachst und rauskommst. Und du kamst  – mit einem grossen Brautstrauss! Es war wundervoll!
Am zweiten Hochzeitstag schenktest du mir zwei Blumensträusse, am dritten drei😊
Aber es gab dann auch Jahre ohne Blumen und Jahre, wo wir den Tag vergessen haben. Das war auch ok.
Heute wäre ich allerdings glücklich, mit dir feiern zu können. Es tut einfach so weh, dass du nicht mehr da bist.“

Ah – die Kellnerin kommt mit dem Kaffee und dem Kuchen, den ich vorher an der Theke ausgesucht habe. Der sah so lecker aus. 
„Was ist das eigentlich für ein Kuchen?“ frage ich die Dame. 
„Oh, das ist unser Spezial Angebot – eine jüdische Hochzeitstorte!“

„Hey – das ist jetzt aber nicht im Ernst? Sag mal – und ich blickte kurz zum Himmel – du Jürg?“  „Doch, doch, und nun iss schon, es ist unser Hochzeitstag, und du kannst ruhig für mich ein kleines Stück mitessen.“

Das habe ich dann auch getan. Ich ass den Kuchen fröhlich auf, genoss die anschliessende Führung durch die Ausstellung und fuhr gegen Abend gut gelaunt wieder nach Hause. Unterwegs legte ich einen Halt ein und liess am Rheinufer meine Seele baumeln. Was für ein schöner Hochzeitstag war das!
Danke Jürg, dass du doch noch bei mir warst.

Kein Jahr ohne dich


Ein Jahr ist um.
Ein Jahr ganz ohne dich.
Doch jeden Tag
tagtäglich
warst du hier.
Bei mir.
Drum sag ich’s andersrum:
Es war das Jahr mit dir.

Ein Jahr ist um.
Ein Jahr ganz ohne dich.
Doch ewig bleibt
für alle Zeit
der Liebe Band bestehn
Es ist darum:
Kein Jahr wird ohne dich vergehn.

dini Brig uf Ärde

Schön im Leben, schön im Tod

Liebe Leute,
es ist nicht einfach, den Tod einer Freundin zu verarbeiten, gleichzeitig zwei quirlige Enkelkinder zu betreuen und mit ihnen am Bahnhof auch noch den Besuch aus Übersee in Empfang zu nehmen – Aussicht auf ein turbulentes Wochenende…

Das Kinderwochenende war geplant, Tochter mit Ehemann haben ihr Wellness Weekend schon lange gebucht. Der Besuch ist auch willkommen, eventuell sogar hilfreich. Der Tod allerdings kommt ungeplant, möchte aber nichts desto
beachtet werden. So lasse ich den Besuch auch mal mit den Mädchen alleine spielen und ziehe mich zurück, um die letzten Momente mit meiner Freundin gedanklich in Ruhe passieren zu lassen. Ich bin froh, dass ich sie noch ein letztes Mal zusammen mit ihrer Familie sehen durfte. Sie lag vollkommen friedlich da, fast lächelnd, in ein weisses Hemd gekleidet, zugedeckt mit einer weissen Decke und die langen, schwarzen Haare frisch gewaschen zu ihren Schultern liegend. Die zierlichen Hände berührten einander über der Brust. Die Brüder haben zur Erinnerung ein Foto gemacht und mir das Bild zugeschickt.  So kann ich sie nochmals in Ruhe betrachten. Wie schön man sie hergerichtet hat! Ihr Anblick im Tod ist angesichts des Leidens, welches sie ertragen musste, ein kleiner Trost.

Da kommt gerade eine Whatsapp Nachricht auf dem Familienchat – ein Bild von meiner Tochter, wie sie well behandelt in kuscheligen, weissen Tüchern warm eingepackt auf einem Schragen liegt. (Anmerkung: altes mittelhochdeutsches Wort, bedeutet gemäß Duden z. B. Bett, [Toten]bahre, Sägebock, (auf kreuzweise verschränkten [hölzernen] Füßen ruhendes Gestell) Ihr langes Haar zu ihren Schultern liegend. Sie sieht nach der Gesichtsbehandlung entspannt aus und lächelt. Ich betrachte das Bild schmunzelnd. Es wurde aus derselben Perspektive aufgenommen, wie jenes der Freundin. Schön sieht sie aus!

Die einen richtet man her für ein schöneres Leben und die anderen für einen schöneren Tod.

Allerdings sollte man der Tochter, die freudig ihr Wellness Erfolgserlebnis teilt, den Vergleich mit einer schön hergerichteten Leiche nicht unter die Nase reiben. Das kommt ganz blöd raus.
Ja, es ist jetzt blöd rausgekommen.

Ditaaa!“

Das bin ich, entschuldigt mich bitte – die Mädchen rufen nach mir, ich muss gehen! Zurück ins turbulente Leben. Eigentlich würde ich jetzt auch lieber auf einem Schragen liegen und schön gemacht werden. In welche Richtung wär mir im Moment völlig egal.

I kämpfe um mis Läbe

I kämpfe um mis Läbe
um mini Läbesluscht
dass s’Härz nid bricht, es pochet 
so luut i miner Bruscht

Schwär isch jede Schnuuf
und s’tuet so weh, wohi
min liebe Götz bisch gange?
Wie chan i ohni di?

I kämpfe mit de Träne
demit, dich so lo go
mit all de ville Froge
mit dem, was zrugg hesch glo

D‘Zyt heilt alli Wunde 
wer weiss – so isch’s villicht
doch kämpf i no ums Läbe
und dass mis Härz nid bricht